1824 – 1886
Wer hätte sich im Traume
stolzer Stunden
Nicht einst auf Gipfeln voller
Glanz gesehen?
Nicht tief in sich des Geistes
Götterwehen
Wie eines Frühlings mächt’gen
Hauch empfunden?
Doch ach! bald ist der holde
Wahn entschwunden;
Du siehst das Bild, das dich
geneckt, zergehen,
Mußt tief in Thalesdämmrung
traurig stehen,
Und fühlst den Fuß, der aufwärts
will, gebunden.
Dann klage nicht! Nur wenigen
aufbehalten
Ward dieses Los: hoch von der
Menschheit Zinne
Ein neues Banner glorreich zu
entfalten.
Thu ab den Neid! Und hellen
Blicks beginne
In deinem engern Kreise frisch
zu schalten,
Und auch das Kleine thu’ mit
großem Sinne!
1824 – 1886
Du magst die weite Welt zu Ende
fragen,
Wo dir der Güter Köstlichstes
erscheine: -
Der Fels erschließt dir seine
Edelsteine,
Das Meer wird Perlen dir
entgegen tragen.
Du siehst die Rose glühend,
duftend ragen,
Und Glut und Duft umfängt dich
hold im Weine,
Und süß wird dir im abendlichen
Haine
Das trunk’ne Lied der
Nachtigallen schlagen.
Und siehst du dann von all’ der
Zier umschlossen,
O, es ist armer Tand und eitel
Nichts!
Doch höh’re Schätze sind auf
dich ergossen.
Aus einem Herzen, voll des
ew’gen Lichts,
Ist dir die Thrän’ in Leid und
Lust geflossen,
Und fließt der reine Born dir
des Gedichts
1824 – 1886
Lang’ eh’ der Geist noch diese
Hüll’n getragen,
Die über kurz in Schutt und
Staub zerstieben,
Stand in den Sternen das Gesetz
geschrieben,
Nach dem im Einklang unsre
Pulse schlagen.
Da hat das Leben uns in bangen
Tagen
Durch kalten, fremden Irrthum
umgetrieben;
Von unserm ew’gen Lieben kaum
geblieben
War uns ein träum’risch Mahnen,
Sehnen, Zagen.
Doch nun, da vor der letzten
Hoffnung Blassen
Sich unsre Seelen
wonndurchschauert trafen,
Was zögerst du, mich glühend zu
umfassen?
Soll’n wir noch scheitern jetzt
im sel’gen Hafen?
Willst du den dunkeln Irrthum
siegen lassen,
Und willst die frommen Sterne
Lügen strafen?
1824 – 1886
Mit meinem Herzblut möcht’ ich
Klagen schreiben,
Seh’ ich dein liebes Leben
ängstlich schwanken
In dieses Alltagsringes harten
Schranken,
Die deiner Seele weichen
Schmelz zerreiben.
Nicht mir, nicht dir darfst du
stillselig bleiben,
Mußt fort und fort an hast’gen
Sorgen kranken,
Daß in der Brust die schönen
Gottgedanken
Verschüchtern vor dem weltlich-tauten
Treiben.
O, könntest du der Blumen Leben
leben,
Die für ihr Dasein reich genug
bezahlen,
Wenn sie voll stillen Dufts
sich aufwärts heben!
Wie würde Huld und Frieden von
dir strahlen,
Und süße Liebe lächelnd dich
umschweben
Gleich Rosenduft im Lenz auf
schönen Thalen!
1824 – 1886
An deine armen Lippen muß ich
denken
Seit jener Stunde, da sie mir
gesagt:
Nie habe dir der sel’ge Traum
getagt,
D’rin Lippen sich auf Lippen
liebend senken.
So, mit des Gottes reizenden
Geschenken,
Stand’st du vereinsamt und hast
nie gewagt,
Die höchsten Gluthen,
schwärmend und verzagt,
In eines kusses Wonnen zu
ertränken.
Ihr armen Lippen! Weich und
jugendroth
Dem einzig-schönen Ziel
entsagen müssen,
Dem zu entknospen hold der Gott
gebot!
O dürft’ ich euch, in feurigen
Ergüssen
Besiegend euren frühen, starren
Tod,
Zum Leben aufglüh’n mit
vieltausend Küssen!
1824 – 1886
Wenn sonst durch unerforschte
Meeresstrecken
Ein Seeheld zwang den schnellen
Kiel verwogen,
Und ihm des Busens Stimme nicht
gelogen,
Die neue Welten kühn ihn hieß
entdecken;
Wenn dann nach tausendjährigem
Verstecken
Die blüh’nden Inseln tauchten
aus den Wogen,
Dann durfte von des Ufers
schönen Bogen
Er rings das Banner seiner
Herrschaft recken.
Und sieh’, ich fand ein Herz,
deß Edelsteine
Nie reizten eines Sterblichen
Begehren;
Ich aber folgte froh dem holden
Scheine.
Wie sollt’ ich nun der heißen
Thräne wehren,
Da, was ich fand und wähnte schon
das Meine,
Mir nimmer kann und soll und
darf gehören?
1824 – 1886
Das weiß ich wohl, daß sie es
Sünde nennen,
Daß ich dich liebe, heißer
Gluthen voll,
Doch das versteh’ ich nicht,
warum ich soll
Dies sel’ge Weh aus meinem
Busen brennen.
Ach, was uns mahnt, den holden
Bund zu trennen,
Das ist fürwahr ein Spuk nur,
irr und toll,
Doch jener Hauch, von dem die
Brust uns schwoll,
Der glücklichste der Himmel muß
ihn kennen.
Und wär’ es nicht wär’ es zehnfach
Sünde,
In ihre Wogen stürz’ ich sonder
Beben,
So endlos-wundervoll sind ihre
Schlünde.
Und mag kein Gott uns dies
Gefühl vergeben,
Doch wird’s durch zweier Herzen
öde Gründe
Wie eine ew’ge Morgenröthe
schweben!
1824 – 1886
Ja sieh’, das ist die große
Wunderkraft
Mit ihren ew’gen, gottesächten
Flammen,
Vor deren Kuß das Höchste
schmilzt zusammen,
Und die en Himmel aus dem
kleinsten schafft!
Dem eiteln Fürchten, Wünschen
hoch entrafft,
Dünkt mir ein Tand die Welt und
ihr Verdammen,
Und Dinge, die im Strome sonst
verschwommen,
Beseligen nun das Herz mir
zauberhaft.
Die Noth der Zeit und jegliches
Verderben
Nicht mehr in meines Busens
Frieden greift,
Ja, holdes Spiel scheint mir’s,
für dich zu sterben.
Doch wenn auch flüchtig nur
dein Kleid mich streift,
Dann mein’ ich, eine Wonne zu
erwerben,
Wie sie in sel’gen Paradiesen
reift.
1824 – 1886
Oft denk’ ich, ach, daß du
nicht anders bist,
Als eine jener Klugen, jener
Kalten,
Die, froh im Banne weltlicher
Gewalten,
Nicht fragen, ob ein Höh’res,
Voll’res ist.
Du bist begnügt, wenn du dein
Haus durchmiß’st,
Den engen Kreis zufälliger
Gestalten,
Und hast das Glück am Busen nie
gehalten
Und, ach, dein Mund hat liebend
nie geküßt!
Dann fühl’ ich’s wild durch
meine Seele wallen:
Daß auch das Einz’ge, d’ran ich
noch geglaubt,
So rettungslos dem schnöden
Schein verfallen!
Daß auch des Weibes Herz, kühl
und entlaubt,
Sich dem Gemeinen fügt mit
Wohlgefallen,
Und lächelt, von des Alltags
Druck zerklaubt!
1824 – 1886
Verzeih’, verzeih’ dies giftige
Verklagen
Und deines Unmuth’s Thräne
trock’ne schnell!
Ich seh’ dein tiefes, reines
Herz so hell,
Und weiß, wie glühend deine
Pulse schlagen.
Und was die Lippen Kaltes,
Stolzes sagen,
Das ist wie frühen Nebels
Duftgewell,
D’rin sich der Sonne sel’ger
Flammenquell
Der Welt noch birgt in
jungfräulichem Zagen.
Doch einmal bricht die Sonne
siegentschlossen
Das Reich der dumpfen Nacht und
scheuer Sorgen
Und zwingt die kalte Welt mit
Gluthgeschossen.
O, so auch du! Und blieb’ es
auch verborgen
Dem fremden Aug’ – laß, Seel’
in Seel’ ergossen,
Uns Beide feiern unsers Lebens
Morgen!
1824 – 1886
Verrauscht ist schon so manche
schöne Stunde,
Die mir im Schooß viel duft’ge
Rosen trug,
Allein von dir verstört in
zorn’gem Flug
Mit Dornen mir gerissen Wund’
an Wunde.
Und blutet dann mein Hrz zum
tiefsten Grunde,
Dann schiltst du’s wohl nicht
groß, nicht stark genug,
Und nennst es Nichts, wenn du
vor’m sel’gen Zug
Der Wonne Becher nimmst vom
durst’gen Munde.
Whl ist’s ein kleines Glück,
das mir verschwebt,
Doch sprich: „Wie willst du mir
das Höchste geben,
Wenn vor dem Kleinsten deine
Lieb’ erbebt?“
Wohl sind es Augenblicke, die
entschweben,
Doch aus verlor’nen
Augenblicken webt
Sich schnell zusammen ein
verlor’nes Leben!
1824 – 1886
Durch finstern Wald ein schönes
Weibsbild schreitet
Auf irrem Fuß, das Herz voll
stummer Bange;
Vom Wolfsgeheul, vom
Giftgezisch der Schlange,
Von Euenschrei’n ist jeder
Schritt begleitet.
Ein sturmverhöhnter Fackelbrand
verbreitet
Nur unstät Licht auf
nachtbedecktem Gange,
Doch sieh’, wie auf die
furchtverblaßte Wange
Lieblich von ihm ein warmer
Schimmer gleitet!
Wo liegt ihr Ziel? Gott wird es
wohl bestellen!
Ich aber muß an unsre Liebe
denken,
Der also Angst und Grau’n sich
wild gesellen.
Doch sei getrost! Wie sich die
Pfade lenken,
Sie trägt ein Licht, - nicht,
diese Welt zu hellen,
Doch sel’gen Glanz in’s eigne
Herz zu senken!
1824 – 1886
Nach Einem Ziel hab’ ich
gesehnt, gerungen
Am lautern Tag, in stummer
Mitternacht,
Bis wildem Vorwurf, glüh’nder
Klage Macht
Endlich des Himmel eh’rnes Thor
gesprungen.
Doch ach, erst als vom
schlimmsten Gram umschlungen,
Ich auf Genesung kaum gehofft,
gedacht,
Ist mir der Seligkeit
Verheißung sacht,
Verschämt in’s zweifelschwanke
Herz geklungen.
Und ob sich nun des Busens
Wogen senken?
O, zürne nicht, daß trüb mein
Blick sich neigt!
Ach, Gift ist in der Götter
Huldgeschenken!
Und wenn das späte Ziel sich
endlich zeigt,
Dann muß der arme Mensch voll
Qual gedenken
Des dornenvollen Pfads, d’rauf
er’s erreicht.
1824 – 1886
Schon kann ich diese
Todesschmerzen segnen,
Kann brünstig dir für jede
Wunde danken,
Seh’ ich, wie unsre Herzen
sonder Wanken
Danach sich glühender denn je
begegnen.
Sieh’, wenn die Erde bebt und
Blitze regnen,
Dann mag ein welkes Leben
ängstlich schwanken,
Doch freudig blüh’n die ächten
Gottgedanken
Trotz finst’rer Mächte
frevelndem Verweg’nen.
So schmolzen vor des Schmerzes
Läuterflammen
Die falschen Triebe, die das
Herz verlocken;
Stolz, Kleinmuth, Eitelkeit
brach jäh zusammen.
Die Liebe blieb. Und glänzend, süßerschrocken,
Wie einst bei ihrem frühesten
Entstammen,
Steigt sie, ein Phönix, aus den
Aschenflocken.
1824 – 1886
Ja, ich will meiner seele
reiche Blüthen
Zum Kranz für deine bleiche
Stirne pflücken,
Getreu bis in den Tod dein
Leben schmücken
Mit diesem Herzen, dem so tief
erglühten.
Vor’m Straucheln will ich
deinen Fuß behüten,
Die Lippen auf dein weinend
Auge drücken,
Will dein sein in dem
trunkensten Entzücken
Und dein, wenn tausend Qualen
in dir wüthen.
Und will nicht fragen: „Kannst
du mir vergelten?“
Gern will ich arm und leer in
jenen Tagen
Hintreten vor den Richter aller
Welten.
Wohl wird er dann nach meinem
Pfunde fragen,
Doch wird er lächelnd die
Verschwendung schelten
Der Liebe, die er selbst im
Schooß getragen.
1824 – 1886
Wird dir zu Sinn einst in des
Lebens Trauern,
Als wärst du nur ein
sturmverschlag’nes Blatt,
O, ein Bewußtsein trauter
Heimathstatt
Kehrt dir zurück, wenn Frühlingswinde
schauern!
Dann sprengt der Blume Geist
die Grabesmauern,
Der Wandervogel strebt und wird
nicht matt,
Und auch dein Herz, das lang
geschwiegen hat,
Jauchzt Freuden zu, die einen
Sommer dauern.
Dann fühlst du’s tief, daß ein
geheimes Band
Auch dich mit der Natur getreu
vereinet,
Daß Blum’ und Baum und Vogel
dir verwandt.
Drum flüchte nur, wenn dich die
Welt verneinet
In ihren Schooß, - du bist im
Heimathland,
Wo Augen lächeln, die noch
jüngst geweinet!
1824 – 1886
O schnöde Zeit, wo
hochgeschminkte Lügen
Am lichten Tage frech zu Markte
geh’n,
Wo wir umsonst nach Glanz und
Hoheit säh’n,
Wenn nicht die Laster gold’ne
Kronen trügen;
Wohl möchte dir, Verachtung in
den Zügen,
Der ächte Dichter gern den
Rücken dreh’n,
Im Schweigen-Dürfen höchste
Wohlthat seh’n,
Im stillen Sterben seligstes
Genügen!
Doch darf er’s nicht. Nein,
rastlos fortgestalten
Am Bau der schöner’n Zukunft
bleibt sein Loos,
Mag auch das Herz ihm vor dem
Sieg erkalten.
Es kommt die bess’re Zeit! Wenn frei und groß
Dann seine Götter rings auf
Erden walten,
Träuft holder Trost in seines
Grabes Schooß.
1824 – 1886
Nennt es nicht Leben, wenn in
engem Kreise
Ein Geist, der rüstig in die
Höhe trachtet,
Fern von der Schönheit Quell
vor Durst verschmachtet,
Umwogt vom Staub uralter
Fahrgeleise!
Dem Schwachen wohl genügt die
Alltagsweise,
Der sich zu klein zu stolzer’n
Bahnen achtet,
Und der, den Blick von
Sinnendruck umnachtet,
Das Leben nur ermißt nach Trank
und Speise.
Doch an der Prose Marterholz
geschlagen,
Da muß ein And’rer sich zu Tode
ringen,
Der kühn geträumt, die Welten
zu durchjagen.
Der nun, gesenkt die
sonnenfrohen Schwingen,
Nichts kann, als um die bitt’re
Täuschung klagen
Und sehnsuchtsvoll vom
Aetherfluge singen.
1824 – 1886
Was du im innersten Gemüth
empfunden
Als wahr und schön, o streb’
ihm freudig nach,
Verfolgt die Welt dich auch mit
Hohn und Schmach
Und träufelt Gift in deines
Herzens Wunden!
Du trägst in dir, was einzig
ließ gesunden,
Wenn Alles rings in wildem
Fieber sprach,
Und Rosen, wie kein Finger je
sie brach,
Blüh’n in der Einsamkeit
geweih’ten Stunden.
Von Beifall nicht verwirrt und
nicht vom Hasse,
Laß der Gefühle holdes
Gleichmaß schweben,
Dann wallst du sicher auf dem
schmalsten Passe.
O schön ist’s, einig mit sich
selbst zu leben,
Und aus der wahnumflorten,
blöden Masse
Bewußt und frei ein heit’res
Haupt erheben!
1824 – 1886 1849
Wenn Erzes Wucht, von kräft’ger
Faust geschwungen,
Der Eiche Wurzel jäh und
schneidig spaltet,
Das ist ein Schicksal, das
erhaben waltet:
Die Riesin stürzt, von
Riesenkraft bezwungen.
Doch wenn, von eklen Wurmes Biß
durchdrungen,
Des Baumes Mark vermorscht und
früh veraltet,
Weß Herz ist doch so steinern,
so erkaltet,
Daß nicht ein Hauch der Wehmuth
d’rin erklungen?
So sankt auch ihr, in schnöden
Fall gebettet
Vom Wurm der Zwietracht, den
ihr Alle kennt,
Den ihr so leicht im Staub zertreten
hättet.
Wir aber seufzen und die Thräne
brennt, -
Auf’s Neu’ und ärger denn zuvor
gekettet:
O schöner Traum vom deutschen
Parlament!
1824 – 1886 1848
So schimmert nun der Dom von
schlanken Kerzen,
So steht der Priester festlich
am Altar,
Den heil’gen Bund zu weih’n auf
immerdar
Der lang getrennten,
hochentzückten Herzen.
Wie weit verflogen sind die
alten Schmerzen!
Wie lacht die Zukunft
maienmorgenklar,
Des Nebels und der Wolken
endlich bar! –
Doch ach, der blauste Himmel
kann sich schwärzen.
Indeß Erwartung jeder Wang’
entloht,
Scheucht dumpfe Kunde der
Gespielen Reigen:
Im Hochzeitsschmuck die blonde
Braut ist todt!
Mein deutsches Volk, ich seh’
dich gramvoll schweigen,
Seh’ deine lichten Augen thränenroth,
Die todte Braut, war sie
vielleicht dein Eigen?
1824 – 1886
O ruft mich nicht in eures
Glaubens Schranken!
Ich bin so glücklich auf der
Freiheit Schwingen.
Das Heil’ge fühl’ ich innig mich
durchklingen,
Und all’ mein Sünd’gen ist ein
kindlich Schwanken.
Wie eifrig ihr die
schwindelnden Gedanken
Entsendet, in der Himmel Schooß
zu dringen,
Ihr werdet Gott, sich zu
enthüll’n, nicht zwingen,
Ob sich zum fernsten Stern die
Blicke ranken.
Ich stehe dankbar vor dem
Unsichtbaren,
Doch weh’ ich seinem Ruhme
keine Tempel;
Das Herz nur kann das Heiligste
bewahren.
Es webt lebendig mir im tiefen
Busen
Und allem Schönen leiht es
seinen Stempel,
Denn Gottes Engel sind die
keuschen Musen.
1824 – 1886
Um Morgendämm’rung bin ich
ausgezogen,
Den Berg hinan, in trauter
Freunde Schaar.
Es stand ein Stern so grüßend,
wunderbar
Auf Nebelgrund am tiefsten
Himmelsbogen.
Wir folgten ihm. Wird nicht auf
gold’nen Wogen
Der stolze Tag ihm nachzieh’n?
Ach, es war
Ein Traum! Im Dunkel ganz, des
Führers bar,
Laut klagten sie: „Der Stern
hat uns gelogen!“
Und rückwärts wichen sie, die
bangen Thoren,
Als käm’ nicht doch ein Tag aus
Morgengrauen!
Mein Warnungsruf verklang an tauben
Ohren.
So blieb ich einsam in den
dunklen Auen.
Lebt wohl! Euch ging der schöne
Stern verloren,
Ich schau’ ihn noch und werd’
ihn ewig schauen!
1824 – 1886
Siehst du den Schwan? Er netzt
sein Glanzgefieder
Mit holdem Sterbesang in
düstern Fluthen,
Und Berg und Hain, die lange
schweigend ruhten,
Sie hallen laut von seinen
Tönen wieder.
So sink’ ich in den Strom der
Schmerzen nieder,
Die im durchbohrten Herzen
heimlich bluten,
Und gieße gern des Busens volle
Gluthen
In klagereiche, nächtig-wilde
Lieder.
Doch fürchte Nichts! Mit
hoffendem Frohlocken
Erheb’ ich einst mich aus des
Grames Banden,
Das stolze Haupt umweht von
Jugendlocken.
Und dann, wenn diese alten
Sorgen schwanden,
Ertönt von meines Liedes Feierglocken
Ein helles Läuten in den
deutschen Landen.
1824 – 1886
Wo man der Schönheit keine
Tempel gründet,
Und wo die Kunst ein
unverstand’nes Gut,
Da wird die Menschheit bald zur
blöden Brut,
Die, wie gemein sie ist, schon
außen kündet.
O, daß ihr rings, ihr
Götterbilder, stündet,
Wie ihr’s in einer schöner’n
Zone thut,
Wo ihr der jungen Mütter
zärtlich Blut
Mit Sehnsucht nach der ew’gen
Form entzündet!
Da steigt ihr von den
Marmorsockeln nieder,
Und wallt einher, vervielfacht,
neugeboren,
Im holden Rythmus schönbelebter
Glieder.
O selig, einem solchen Volk
erkoren
Zum Dichter sein! Da rauscht
der Strom der Lieder,
Denn jede Schönheit ist dort
unverloren!
1824 – 1886 1856
I.
Wärst du, Natur, mir nicht die
Holdvertraute,
Erprobt in tausend
menschenscheuen Tagen,
Wer dürfte Trost in dieser Zeit
mir sagen,
Die mich mit grauer Kerkerwand
umbaute?
Du aber läss’st im hellen
Vogellaute
Zu meinem Fenster Waldesgrüße
tragen,
Des sonn’gen Wald’s, drin oft
mit frohem Zagen
Ich das Geheimniß deines
Waltens schaute.
Im engen Hof darf ich ein
Stündlein schleichen,
Da winken von den Zinnen
blüh’nde Pflanzen,
Die ihren heimathlichen
Schwestern gleichen.
Von freundlichen Insekten
schwirrt’s im Ganzen
Und schönen Faltern, die – o
glücklich Zeichen! –
In eine freie, holde Ferne
tanzen.
II.
Zum Gott der Träume richt’ ich
jetzt mein Flehen,
Daß er die Nächte lieblich mir
erhelle,
Da durch die enge, dumpfe
Kerkerzelle
Einförmig, Trostes bar die Tage
gehen.
Dank dir, du holder Gott! Es
ist geschehen.
Zurückgeschwebt auf linder
Schlummerwelle,
Kam Bild um Bild von meines
Lebens Quelle,
Die ich verflossen längst,
versiegt gesehen.
Den Kranz von Rosen in den
schönen Haaren,
Wie hold und lieblich grüßten
die Gestalten,
Die mir zur Seiten einst
gewandelt waren!
Sie hauchten leis’, als sie
vorüberwallten:
„So große Liebe hat dein Herz
erfahren,
Und sollt’ es dieser kleine Haß
zerspalten?“
III.
Ward vom Geschick ein Leiden
dir beschieden
Um einer deiner besten Thaten
willen,
Dann sollst du jede trübe Klage
stillen
Und froh dich hüll’n in deiner
Seele Frieden.
Denn eine holde Regel ist’s
hienieden,
Daß erst aus Schmerzen höchste Freuden
quillen;
Wer hätte, ängstlich vor der
Stürme Schrillen
Den Frühling, den sie bringen,
je gemieden?
Gieb Acht! Die Zeit des Duldens
fliegt von hinnen,
Du gehst hervor aus diesen
dumpfen Wänden
Und kannst dein Leben
neuerfrischt beginnen.
Dann steht der große Schwarm
mit leeren Händen,
Indessen du die Frucht von
Sorg’ und Sinnen
Gelassen kannst und heitern
Auges spenden.
IV.
Was heißt: gefangen sein in
diesem Lande,
Wo auch gefesselt sind der
Freien Hände?
Ein wenig näher nur die
Krkerwände,
Ein wenig enger nur die harten
Bande.
Was Zier sonst war dem freien
Männerstande,
O sagt, wo man bei euch es heut
noch fände!
In Blick, in Wort und Schrift
des Geistes Brände
Sind längst verlöscht im
dumpfen Meer der Schande.
D’rum geht ihr kühl, mit
unverfärbten Wangen,
Vorüber an den Mauern, die uns
bergen;
Euch schaudert nicht mehr bei
dem Lat: gefangen!
Ihr athmet Alle in der Faust
des Schergen. –
Nur die im gold’nen Licht des
Lebens prangen,
Steh’n weinend still an der
Verstorb’nen Särgen.
V.
Kein Pilger wird mit
ehrfurchtsvollem Grauen
Auf diese Wände seinen Namen
schreiben,
Auch Keinen wird’s – zum
Angedenken – treiben,
Den Spahn aus dieser Lagerstatt
zu hauen.
Und sollt’ ich nie den Tag der
Freiheit schauen,
Mein Martyrthum wird still im
Schatten bleiben.
Was ist’s denn auch in dieser
Zeiten Treiben,
Daß Einer schmachtet fern von
grünen Auen?
Sonst trat zum Kampfe für die
höchsten Güter
Vielleicht ein Einz’ger auf und
rang unsäglich;
Ihn ehren dankbar heut noch die
Gemüther.
Jetzt schwoll die Zahl der
Streiter schon erträglich;
Der Menschheit Hälfte ward der
andern Hüter,
Und für das Rechte leiden ward
alltäglich.
VI.
Tritt stolz einher auch in des
Kerkers Schranken,
Du, dem des Gottes heil’ge
Weihen kamen!
Dir blieb auch da, wo sie dir Alles
nahmen,
Die höchste Kunst des Reims und
der Gedanken.
Du läss’st aus Nichts sich Bild
zum Bilde ranken
Und hegst sie ein mit
köstlich-ächtem Rahmen;
Du läss’st empor aus
unsichtbarem samen
Die gold’ne Saat von ew’gen
Liedern schwanken!
Mag dir die frühe Nacht das
Licht entraffen,
Wär’ dir die Hand versagt durch
schwere Ketten –
Im Vollbesitze bleibst du
deiner Waffen.
Und was mit Heer, Geschütz und
Bayonetten
Kein Mächt’ger kann, du hast’s
im Flug erschaffen:
Den Bau des Ruhms aus
funkelnden Sonetten!
VII.
Gastfreie Stadt, Beherrscherin
der Meere,
Die ein Asyl mir bot seit
langen Jahren,
Dir fern vermocht’ ich ganz
erst zu gewahren
Das Wesen deines Ruhms und
deiner Ehre.
Sei stolz auf deiner Seg’ler
mächt’ge Heere,
Die kühnlich zu den fernsten Küsten
fahren,
Sie brachten dir die
köstlichste der Waaren:
Den freien Menschensinn, der
Knechtung Wehre!
Bist du an Kunst und Wissen
auch geringer
Als Andre – o daß sich ein
Jeder hüte,
Voll Hohn auf dich zu deuten
mit dem Finger!
Jüngst weilt’ ich im
gepries’nen Land der Blüthe
Des Geistes – ach, es war ein
weiter Zwinger,
D’rin kaum ein Herz für Recht
und Freiheit glühte!
VIII.
Im Geiste seh’ ich deine
Buchenkronen
Sich grün und weich am blauen
Himmel ründen,
Und seh’ auf breiten,
segensprüh’nden Gründen
Dein biedres Volk, mein
Schleswig-Holstein, wohnen.
Der Ostsee blauer Arm schmiegt
sich mit Schonen
Heran, um deiner Schöne zu
verbünden
Der Fluthen Reiz, - da will’s
mein Herz entzünden
Wie Heimweh nach des
Vaterlandes Zonen.
Ja, nicht was Zufall und Geburt
uns gaben,
Bleibt uns die liebste Statt
für alle Zeiten;
Der Kindheit Traum wird oft gar
früh begraben.
Die rechte Heimath ist, die wir
erstreiten,
Für die wir strebten und
gelitten haben,
Und wo uns liebe Menschen treu geleiten!
IX.
Hier zählt die widrigste der
Unholdinnen,
Die sonst mit stumpfem,
giftgetränktem Pfeile
Uns langsam würgt, die Gorgo
Langeweile,
Gar zu der Muse treusten
Pflegerinnen!
Was stets verblieb ein
unvollführt Beginnen
In früh’rer Zeit der frischen
Lebenseile:
Hier las ich Tasso’s Stanzen,
Zeil’ um Zeile,
Von Zions heiligen, befreiten
Zinnen!
Erminiens und Clorindens buntem
Pfade
Folgt’ ich, lag froh selbst in
Armida’s Schlingen,
Flog mit Rinaldo kühn zum blut’gen
Bade.
Fast groll’nd sah ich den
letzten Sturm gelingen. –
Ach, böte man mir hier die
Messiade,
Ich glaub’, auch sie würd’ ich
zu Ende bringen!
X.
So lang ich draußen rüstig
schweifen konnte,
Lag Alles regennaß und trüb
verhangen,
Nun, da ich still und traurig
hier gefangen,
Strahlt Gold und Blau vom
reinsten Horizonte.
Im Traum nur sah ich, wie die
Welt sich sonnte,
Ich hörte, wie die Wandrer
fröhlich sangen,
Wie durch das Feld geschäft’ge
Sicheln klangen,
Wie Alles glücklich war und
jauchzt’ und wonnte.
Ein Bild des Lebens ahn’ ich
hier verborgen:
Auch unsre Zeit ist schwer
verhüllt von Schleiern,
Und unser sind: die Hoffnung
und die Sorgen.
Die Zukunft bleibt den
Glücklichern und Freiern.
Erst nach uns glüht empor der
sonn’ge Morgen,
Erst nach uns wird man gold’ne
Feste feiern!
XI.
Im Abendneigen, wenn die
grellen Stimmen
Des Tages, die voll Mißlaut
mich umtönen,
Verhallet sind, dann läßt ein
Hauch des Schönen
Mein Herz zu alter Fröhlichkeit
erglimmen.
Die Sterne seh’ ich droben
lustig schwimmen,
Wie wenn sie unser kleines Leid
verhöhnen;
Und sieh! auch ich kann mich
mit ihm versönen,
Und fühle Kraft, es stolz zu
überklimmen.
In meinem Innern braus’t in
heil’gen Chören
Der Reigen göttlicher Gefühle
weiter,
Und keine plumpe Faust kann ihn
zerstören.
Sei’s trüb umher – in mir
bleibt’s hell und heiter,
In Fesseln werd’ ich stets mir
selbst gehören:
Der Schönheit und der Freiheit
rüst’ger Streiter.
XII.
Die Mutter Deutschlands ist’s,
die mich geboren,
Und deutscher Geist der Vater,
der mich zeugte;
Vor deutschen Meistern früh
mein Sinn sich beugte,
Und deutschem Ruhm lauscht’ ich
mit trunk’nen Ohren.
Die deutsche Muse hat mich
auserkoren,
Daß auch mein Lied gleich einer
reinen Leuchte
Dem Volk’ erglüh’, das schlaue
Lüge scheuchte,
Bis es sich weit vom rechten
Pfad verloren.
D’rum, wie ich Alle heg’ in
frommem Scheuen,
Die bis zum Grund von deutschem
Safte schwellen,
Erheisch’ ich meinen Ruhm nur
von den Treuen.
Doch die sich fern von
Deutschlands Banner stellen,
Ihr Thun kann mich nicht
beugen, nicht erfreuen:
Es gleicht dem Streich durch
leerer Lüfte Wellen.
XIII.
Herbstmorgenluft, in deine
frische kühle
Tret’ ich hinaus mit Schritten,
die da wanken;
Kaum faßt’s der Sinn, daß nun
gefall’n die Schranken,
Die mich gesondert von der welt
Gewühle!
Dahin ist nun des vollen
Sommers Schwüle,
Kein Rosenhaupt glüht mehr in
Lustgedanken;
Das Korn – ich sah’s auf grünem
Halm noch schwanken –
Zermalmt schon der granit’ne
Block der Mühle.
Ich könnte weinen, daß verhaßte
Mächte
Mir so des Jahres schönste
Monde stahlen,
Wenn ich des Trostes, der mir
ward, nicht dächte.
Mein Frühling wird aus dieser
Oede strahlen,
Denn hohe Götter weihten meine
Nächte
Und stärkten mich in meinen
Idealen!