Bernhard Endrulat                  Bescheide dich

1824 – 1886

Wer hätte sich im Traume stolzer Stunden

Nicht einst auf Gipfeln voller Glanz gesehen?

Nicht tief in sich des Geistes Götterwehen

Wie eines Frühlings mächt’gen Hauch empfunden?

 

Doch ach! bald ist der holde Wahn entschwunden;

Du siehst das Bild, das dich geneckt, zergehen,

Mußt tief in Thalesdämmrung traurig stehen,

Und fühlst den Fuß, der aufwärts will, gebunden.

 

Dann klage nicht! Nur wenigen aufbehalten

Ward dieses Los: hoch von der Menschheit Zinne

Ein neues Banner glorreich zu entfalten.

 

Thu ab den Neid! Und hellen Blicks beginne

In deinem engern Kreise frisch zu schalten,

Und auch das Kleine thu’ mit großem Sinne!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Meine Gabe

1824 – 1886

Du magst die weite Welt zu Ende fragen,

Wo dir der Güter Köstlichstes erscheine: -

Der Fels erschließt dir seine Edelsteine,

Das Meer wird Perlen dir entgegen tragen.

 

Du siehst die Rose glühend, duftend ragen,

Und Glut und Duft umfängt dich hold im Weine,

Und süß wird dir im abendlichen Haine

Das trunk’ne Lied der Nachtigallen schlagen.

 

Und siehst du dann von all’ der Zier umschlossen,

O, es ist armer Tand und eitel Nichts!

Doch höh’re Schätze sind auf dich ergossen.

 

Aus einem Herzen, voll des ew’gen Lichts,

Ist dir die Thrän’ in Leid und Lust geflossen,

Und fließt der reine Born dir des Gedichts

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Von Anbeginn

1824 – 1886

Lang’ eh’ der Geist noch diese Hüll’n getragen,

Die über kurz in Schutt und Staub zerstieben,

Stand in den Sternen das Gesetz geschrieben,

Nach dem im Einklang unsre Pulse schlagen.

 

Da hat das Leben uns in bangen Tagen

Durch kalten, fremden Irrthum umgetrieben;

Von unserm ew’gen Lieben kaum geblieben

War uns ein träum’risch Mahnen, Sehnen, Zagen.

 

Doch nun, da vor der letzten Hoffnung Blassen

Sich unsre Seelen wonndurchschauert trafen,

Was zögerst du, mich glühend zu umfassen?

 

Soll’n wir noch scheitern jetzt im sel’gen Hafen?

Willst du den dunkeln Irrthum siegen lassen,

Und willst die frommen Sterne Lügen strafen?

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Wahrer Beruf

1824 – 1886

Mit meinem Herzblut möcht’ ich Klagen schreiben,

Seh’ ich dein liebes Leben ängstlich schwanken

In dieses Alltagsringes harten Schranken,

Die deiner Seele weichen Schmelz zerreiben.

 

Nicht mir, nicht dir darfst du stillselig bleiben,

Mußt fort und fort an hast’gen Sorgen kranken,

Daß in der Brust die schönen Gottgedanken

Verschüchtern vor dem weltlich-tauten Treiben.

 

O, könntest du der Blumen Leben leben,

Die für ihr Dasein reich genug bezahlen,

Wenn sie voll stillen Dufts sich aufwärts heben!

 

Wie würde Huld und Frieden von dir strahlen,

Und süße Liebe lächelnd dich umschweben

Gleich Rosenduft im Lenz auf schönen Thalen!

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Verfehlte Bestimmung

1824 – 1886

An deine armen Lippen muß ich denken

Seit jener Stunde, da sie mir gesagt:

Nie habe dir der sel’ge Traum getagt,

D’rin Lippen sich auf Lippen liebend senken.

 

So, mit des Gottes reizenden Geschenken,

Stand’st du vereinsamt und hast nie gewagt,

Die höchsten Gluthen, schwärmend und verzagt,

In eines kusses Wonnen zu ertränken.

 

Ihr armen Lippen! Weich und jugendroth

Dem einzig-schönen Ziel entsagen müssen,

Dem zu entknospen hold der Gott gebot!

 

O dürft’ ich euch, in feurigen Ergüssen

Besiegend euren frühen, starren Tod,

Zum Leben aufglüh’n mit vieltausend Küssen!

 

 

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Versagtes Recht

1824 – 1886

Wenn sonst durch unerforschte Meeresstrecken

Ein Seeheld zwang den schnellen Kiel verwogen,

Und ihm des Busens Stimme nicht gelogen,

Die neue Welten kühn ihn hieß entdecken;

 

Wenn dann nach tausendjährigem Verstecken

Die blüh’nden Inseln tauchten aus den Wogen,

Dann durfte von des Ufers schönen Bogen

Er rings das Banner seiner Herrschaft recken.

 

Und sieh’, ich fand ein Herz, deß Edelsteine

Nie reizten eines Sterblichen Begehren;

Ich aber folgte froh dem holden Scheine.

 

Wie sollt’ ich nun der heißen Thräne wehren,

Da, was ich fand und wähnte schon das Meine,

Mir nimmer kann und soll und darf gehören?

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Seliges Verderben

1824 – 1886

Das weiß ich wohl, daß sie es Sünde nennen,

Daß ich dich liebe, heißer Gluthen voll,

Doch das versteh’ ich nicht, warum ich soll

Dies sel’ge Weh aus meinem Busen brennen.

 

Ach, was uns mahnt, den holden Bund zu trennen,

Das ist fürwahr ein Spuk nur, irr und toll,

Doch jener Hauch, von dem die Brust uns schwoll,

Der glücklichste der Himmel muß ihn kennen.

 

Und wär’ es nicht wär’ es zehnfach Sünde,

In ihre Wogen stürz’ ich sonder Beben,

So endlos-wundervoll sind ihre Schlünde.

 

Und mag kein Gott uns dies Gefühl vergeben,

Doch wird’s durch zweier Herzen öde Gründe

Wie eine ew’ge Morgenröthe schweben!

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Liebeswunder

1824 – 1886

Ja sieh’, das ist die große Wunderkraft

Mit ihren ew’gen, gottesächten Flammen,

Vor deren Kuß das Höchste schmilzt zusammen,

Und die en Himmel aus dem kleinsten schafft!

 

Dem eiteln Fürchten, Wünschen hoch entrafft,

Dünkt mir ein Tand die Welt und ihr Verdammen,

Und Dinge, die im Strome sonst verschwommen,

Beseligen nun das Herz mir zauberhaft.

 

Die Noth der Zeit und jegliches Verderben

Nicht mehr in meines Busens Frieden greift,

Ja, holdes Spiel scheint mir’s, für dich zu sterben.

 

Doch wenn auch flüchtig nur dein Kleid mich streift,

Dann mein’ ich, eine Wonne zu erwerben,

Wie sie in sel’gen Paradiesen reift.

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Anklage

1824 – 1886

Oft denk’ ich, ach, daß du nicht anders bist,

Als eine jener Klugen, jener Kalten,

Die, froh im Banne weltlicher Gewalten,

Nicht fragen, ob ein Höh’res, Voll’res ist.

 

Du bist begnügt, wenn du dein Haus durchmiß’st,

Den engen Kreis zufälliger Gestalten,

Und hast das Glück am Busen nie gehalten

Und, ach, dein Mund hat liebend nie geküßt!

 

Dann fühl’ ich’s wild durch meine Seele wallen:

Daß auch das Einz’ge, d’ran ich noch geglaubt,

So rettungslos dem schnöden Schein verfallen!

 

Daß auch des Weibes Herz, kühl und entlaubt,

Sich dem Gemeinen fügt mit Wohlgefallen,

Und lächelt, von des Alltags Druck zerklaubt!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Abbitte

1824 – 1886

Verzeih’, verzeih’ dies giftige Verklagen

Und deines Unmuth’s Thräne trock’ne schnell!

Ich seh’ dein tiefes, reines Herz so hell,

Und weiß, wie glühend deine Pulse schlagen.

 

Und was die Lippen Kaltes, Stolzes sagen,

Das ist wie frühen Nebels Duftgewell,

D’rin sich der Sonne sel’ger Flammenquell

Der Welt noch birgt in jungfräulichem Zagen.

 

Doch einmal bricht die Sonne siegentschlossen

Das Reich der dumpfen Nacht und scheuer Sorgen

Und zwingt die kalte Welt mit Gluthgeschossen.

 

O, so auch du! Und blieb’ es auch verborgen

Dem fremden Aug’ – laß, Seel’ in Seel’ ergossen,

Uns Beide feiern unsers Lebens Morgen!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Verlor’ne Augenblicke

1824 – 1886

Verrauscht ist schon so manche schöne Stunde,

Die mir im Schooß viel duft’ge Rosen trug,

Allein von dir verstört in zorn’gem Flug

Mit Dornen mir gerissen Wund’ an Wunde.

 

Und blutet dann mein Hrz zum tiefsten Grunde,

Dann schiltst du’s wohl nicht groß, nicht stark genug,

Und nennst es Nichts, wenn du vor’m sel’gen Zug

Der Wonne Becher nimmst vom durst’gen Munde.

 

Whl ist’s ein kleines Glück, das mir verschwebt,

Doch sprich: „Wie willst du mir das Höchste geben,

Wenn vor dem Kleinsten deine Lieb’ erbebt?“

 

Wohl sind es Augenblicke, die entschweben,

Doch aus verlor’nen Augenblicken webt

Sich schnell zusammen ein verlor’nes Leben!

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Ein Bild

1824 – 1886

Durch finstern Wald ein schönes Weibsbild schreitet

Auf irrem Fuß, das Herz voll stummer Bange;

Vom Wolfsgeheul, vom Giftgezisch der Schlange,

Von Euenschrei’n ist jeder Schritt begleitet.

 

Ein sturmverhöhnter Fackelbrand verbreitet

Nur unstät Licht auf nachtbedecktem Gange,

Doch sieh’, wie auf die furchtverblaßte Wange

Lieblich von ihm ein warmer Schimmer gleitet!

 

Wo liegt ihr Ziel? Gott wird es wohl bestellen!

Ich aber muß an unsre Liebe denken,

Der also Angst und Grau’n sich wild gesellen.

 

Doch sei getrost! Wie sich die Pfade lenken,

Sie trägt ein Licht, - nicht, diese Welt zu hellen,

Doch sel’gen Glanz in’s eigne Herz zu senken!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Vergälltes Glück

1824 – 1886

Nach Einem Ziel hab’ ich gesehnt, gerungen

Am lautern Tag, in stummer Mitternacht,

Bis wildem Vorwurf, glüh’nder Klage Macht

Endlich des Himmel eh’rnes Thor gesprungen.

 

Doch ach, erst als vom schlimmsten Gram umschlungen,

Ich auf Genesung kaum gehofft, gedacht,

Ist mir der Seligkeit Verheißung sacht,

Verschämt in’s zweifelschwanke Herz geklungen.

 

Und ob sich nun des Busens Wogen senken?

O, zürne nicht, daß trüb mein Blick sich neigt!

Ach, Gift ist in der Götter Huldgeschenken!

 

Und wenn das späte Ziel sich endlich zeigt,

Dann muß der arme Mensch voll Qual gedenken

Des dornenvollen Pfads, d’rauf er’s erreicht.

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Siegende Liebe

1824 – 1886

Schon kann ich diese Todesschmerzen segnen,

Kann brünstig dir für jede Wunde danken,

Seh’ ich, wie unsre Herzen sonder Wanken

Danach sich glühender denn je begegnen.

 

Sieh’, wenn die Erde bebt und Blitze regnen,

Dann mag ein welkes Leben ängstlich schwanken,

Doch freudig blüh’n die ächten Gottgedanken

Trotz finst’rer Mächte frevelndem Verweg’nen.

 

So schmolzen vor des Schmerzes Läuterflammen

Die falschen Triebe, die das Herz verlocken;

Stolz, Kleinmuth, Eitelkeit brach jäh zusammen.

 

Die Liebe blieb.  Und glänzend, süßerschrocken,

Wie einst bei ihrem frühesten Entstammen,

Steigt sie, ein Phönix, aus den Aschenflocken.

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Volle Hingabe

1824 – 1886

Ja, ich will meiner seele reiche Blüthen

Zum Kranz für deine bleiche Stirne pflücken,

Getreu bis in den Tod dein Leben schmücken

Mit diesem Herzen, dem so tief erglühten.

 

Vor’m Straucheln will ich deinen Fuß behüten,

Die Lippen auf dein weinend Auge drücken,

Will dein sein in dem trunkensten Entzücken

Und dein, wenn tausend Qualen in dir wüthen.

 

Und will nicht fragen: „Kannst du mir vergelten?“

Gern will ich arm und leer in jenen Tagen

Hintreten vor den Richter aller Welten.

 

Wohl wird er dann nach meinem Pfunde fragen,

Doch wird er lächelnd die Verschwendung schelten

Der Liebe, die er selbst im Schooß getragen.

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Natur, die Heimath

1824 – 1886

Wird dir zu Sinn einst in des Lebens Trauern,

Als wärst du nur ein sturmverschlag’nes Blatt,

O, ein Bewußtsein trauter Heimathstatt

Kehrt dir zurück, wenn Frühlingswinde schauern!

 

Dann sprengt der Blume Geist die Grabesmauern,

Der Wandervogel strebt und wird nicht matt,

Und auch dein Herz, das lang geschwiegen hat,

Jauchzt Freuden zu, die einen Sommer dauern.

 

Dann fühlst du’s tief, daß ein geheimes Band

Auch dich mit der Natur getreu vereinet,

Daß Blum’ und Baum und Vogel dir verwandt.

 

Drum flüchte nur, wenn dich die Welt verneinet

In ihren Schooß, - du bist im Heimathland,

Wo Augen lächeln, die noch jüngst geweinet!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Dichterloos

1824 – 1886

O schnöde Zeit, wo hochgeschminkte Lügen

Am lichten Tage frech zu Markte geh’n,

Wo wir umsonst nach Glanz und Hoheit säh’n,

Wenn nicht die Laster gold’ne Kronen trügen;

 

Wohl möchte dir, Verachtung in den Zügen,

Der ächte Dichter gern den Rücken dreh’n,

Im Schweigen-Dürfen höchste Wohlthat seh’n,

Im stillen Sterben seligstes Genügen!

 

Doch darf er’s nicht. Nein, rastlos fortgestalten

Am Bau der schöner’n Zukunft bleibt sein Loos,

Mag auch das Herz ihm vor dem Sieg erkalten.

 

Es kommt die bess’re Zeit!  Wenn frei und groß

Dann seine Götter rings auf Erden walten,

Träuft holder Trost in seines Grabes Schooß.

 

 

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Genius in Fesseln

1824 – 1886

Nennt es nicht Leben, wenn in engem Kreise

Ein Geist, der rüstig in die Höhe trachtet,

Fern von der Schönheit Quell vor Durst verschmachtet,

Umwogt vom Staub uralter Fahrgeleise!

 

Dem Schwachen wohl genügt die Alltagsweise,

Der sich zu klein zu stolzer’n Bahnen achtet,

Und der, den Blick von Sinnendruck umnachtet,

Das Leben nur ermißt nach Trank und Speise.

 

Doch an der Prose Marterholz geschlagen,

Da muß ein And’rer sich zu Tode ringen,

Der kühn geträumt, die Welten zu durchjagen.

 

Der nun, gesenkt die sonnenfrohen Schwingen,

Nichts kann, als um die bitt’re Täuschung klagen

Und sehnsuchtsvoll vom Aetherfluge singen.

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Lebensmahnung

1824 – 1886

Was du im innersten Gemüth empfunden

Als wahr und schön, o streb’ ihm freudig nach,

Verfolgt die Welt dich auch mit Hohn und Schmach

Und träufelt Gift in deines Herzens Wunden!

 

Du trägst in dir, was einzig ließ gesunden,

Wenn Alles rings in wildem Fieber sprach,

Und Rosen, wie kein Finger je sie brach,

Blüh’n in der Einsamkeit geweih’ten Stunden.

 

Von Beifall nicht verwirrt und nicht vom Hasse,

Laß der Gefühle holdes Gleichmaß schweben,

Dann wallst du sicher auf dem schmalsten Passe.

 

O schön ist’s, einig mit sich selbst zu leben,

Und aus der wahnumflorten, blöden Masse

Bewußt und frei ein heit’res Haupt erheben!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Ein Nachruf

1824 – 1886                                                   1849

 

Wenn Erzes Wucht, von kräft’ger Faust geschwungen,

Der Eiche Wurzel jäh und schneidig spaltet,

Das ist ein Schicksal, das erhaben waltet:

Die Riesin stürzt, von Riesenkraft bezwungen.

 

Doch wenn, von eklen Wurmes Biß durchdrungen,

Des Baumes Mark vermorscht und früh veraltet,

Weß Herz ist doch so steinern, so erkaltet,

Daß nicht ein Hauch der Wehmuth d’rin erklungen?

 

So sankt auch ihr, in schnöden Fall gebettet

Vom Wurm der Zwietracht, den ihr Alle kennt,

Den ihr so leicht im Staub zertreten hättet.

 

Wir aber seufzen und die Thräne brennt, -

Auf’s Neu’ und ärger denn zuvor gekettet:

O schöner Traum vom deutschen Parlament!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Die traurige Hochzeit

1824 – 1886                                                   1848

 

So schimmert nun der Dom von schlanken Kerzen,

So steht der Priester festlich am Altar,

Den heil’gen Bund zu weih’n auf immerdar

Der lang getrennten, hochentzückten Herzen.

 

Wie weit verflogen sind die alten Schmerzen!

Wie lacht die Zukunft maienmorgenklar,

Des Nebels und der Wolken endlich bar! –

Doch ach, der blauste Himmel kann sich schwärzen.

 

Indeß Erwartung jeder Wang’ entloht,

Scheucht dumpfe Kunde der Gespielen Reigen:

Im Hochzeitsschmuck die blonde Braut ist todt!

 

Mein deutsches Volk, ich seh’ dich gramvoll schweigen,

Seh’ deine lichten Augen thränenroth,

Die todte Braut, war sie vielleicht dein Eigen?

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Des Dichters Glaube

1824 – 1886

O ruft mich nicht in eures Glaubens Schranken!

Ich bin so glücklich auf der Freiheit Schwingen.

Das Heil’ge fühl’ ich innig mich durchklingen,

Und all’ mein Sünd’gen ist ein kindlich Schwanken.

 

Wie eifrig ihr die schwindelnden Gedanken

Entsendet, in der Himmel Schooß zu dringen,

Ihr werdet Gott, sich zu enthüll’n, nicht zwingen,

Ob sich zum fernsten Stern die Blicke ranken.

 

Ich stehe dankbar vor dem Unsichtbaren,

Doch weh’ ich seinem Ruhme keine Tempel;

Das Herz nur kann das Heiligste bewahren.

 

Es webt lebendig mir im tiefen Busen

Und allem Schönen leiht es seinen Stempel,

Denn Gottes Engel sind die keuschen Musen.

 

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Getreu

1824 – 1886

Um Morgendämm’rung bin ich ausgezogen,

Den Berg hinan, in trauter Freunde Schaar.

Es stand ein Stern so grüßend, wunderbar

Auf Nebelgrund am tiefsten Himmelsbogen.

 

Wir folgten ihm. Wird nicht auf gold’nen Wogen

Der stolze Tag ihm nachzieh’n? Ach, es war

Ein Traum! Im Dunkel ganz, des Führers bar,

Laut klagten sie: „Der Stern hat uns gelogen!“

 

Und rückwärts wichen sie, die bangen Thoren,

Als käm’ nicht doch ein Tag aus Morgengrauen!

Mein Warnungsruf verklang an tauben Ohren.

 

So blieb ich einsam in den dunklen Auen.

Lebt wohl! Euch ging der schöne Stern verloren,

Ich schau’ ihn noch und werd’ ihn ewig schauen!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Künftiger Gesang

1824 – 1886

Siehst du den Schwan? Er netzt sein Glanzgefieder

Mit holdem Sterbesang in düstern Fluthen,

Und Berg und Hain, die lange schweigend ruhten,

Sie hallen laut von seinen Tönen wieder.

 

So sink’ ich in den Strom der Schmerzen nieder,

Die im durchbohrten Herzen heimlich bluten,

Und gieße gern des Busens volle Gluthen

In klagereiche, nächtig-wilde Lieder.

 

Doch fürchte Nichts! Mit hoffendem Frohlocken

Erheb’ ich einst mich aus des Grames Banden,

Das stolze Haupt umweht von Jugendlocken.

 

Und dann, wenn diese alten Sorgen schwanden,

Ertönt von meines Liedes Feierglocken

Ein helles Läuten in den deutschen Landen.

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Schönheit, die Erzieherinn

1824 – 1886

Wo man der Schönheit keine Tempel gründet,

Und wo die Kunst ein unverstand’nes Gut,

Da wird die Menschheit bald zur blöden Brut,

Die, wie gemein sie ist, schon außen kündet.

 

O, daß ihr rings, ihr Götterbilder, stündet,

Wie ihr’s in einer schöner’n Zone thut,

Wo ihr der jungen Mütter zärtlich Blut

Mit Sehnsucht nach der ew’gen Form entzündet!

 

Da steigt ihr von den Marmorsockeln nieder,

Und wallt einher, vervielfacht, neugeboren,

Im holden Rythmus schönbelebter Glieder.

 

O selig, einem solchen Volk erkoren

Zum Dichter sein! Da rauscht der Strom der Lieder,

Denn jede Schönheit ist dort unverloren!

 

 

 

 

Bernhard Endrulat                  Träumereien eines gefangenen Dichters

1824 – 1886                                                   1856

 

I.

 

Wärst du, Natur, mir nicht die Holdvertraute,

Erprobt in tausend menschenscheuen Tagen,

Wer dürfte Trost in dieser Zeit mir sagen,

Die mich mit grauer Kerkerwand umbaute?

 

Du aber läss’st im hellen Vogellaute

Zu meinem Fenster Waldesgrüße tragen,

Des sonn’gen Wald’s, drin oft mit frohem Zagen

Ich das Geheimniß deines Waltens schaute.

 

Im engen Hof darf ich ein Stündlein schleichen,

Da winken von den Zinnen blüh’nde Pflanzen,

Die ihren heimathlichen Schwestern gleichen.

 

Von freundlichen Insekten schwirrt’s im Ganzen

Und schönen Faltern, die – o glücklich Zeichen! –

In eine freie, holde Ferne tanzen.

 

 

II.

 

Zum Gott der Träume richt’ ich jetzt mein Flehen,

Daß er die Nächte lieblich mir erhelle,

Da durch die enge, dumpfe Kerkerzelle

Einförmig, Trostes bar die Tage gehen.

 

Dank dir, du holder Gott! Es ist geschehen.

Zurückgeschwebt auf linder Schlummerwelle,

Kam Bild um Bild von meines Lebens Quelle,

Die ich verflossen längst, versiegt gesehen.

 

Den Kranz von Rosen in den schönen Haaren,

Wie hold und lieblich grüßten die Gestalten,

Die mir zur Seiten einst gewandelt waren!

 

Sie hauchten leis’, als sie vorüberwallten:

„So große Liebe hat dein Herz erfahren,

Und sollt’ es dieser kleine Haß zerspalten?“

 

 

III.

 

Ward vom Geschick ein Leiden dir beschieden

Um einer deiner besten Thaten willen,

Dann sollst du jede trübe Klage stillen

Und froh dich hüll’n in deiner Seele Frieden.

 

Denn eine holde Regel ist’s hienieden,

Daß erst aus Schmerzen höchste Freuden quillen;

Wer hätte, ängstlich vor der Stürme Schrillen

Den Frühling, den sie bringen, je gemieden?

 

Gieb Acht! Die Zeit des Duldens fliegt von hinnen,

Du gehst hervor aus diesen dumpfen Wänden

Und kannst dein Leben neuerfrischt beginnen.

 

Dann steht der große Schwarm mit leeren Händen,

Indessen du die Frucht von Sorg’ und Sinnen

Gelassen kannst und heitern Auges spenden.

 

 

IV.

 

Was heißt: gefangen sein in diesem Lande,

Wo auch gefesselt sind der Freien Hände?

Ein wenig näher nur die Krkerwände,

Ein wenig enger nur die harten Bande.

 

Was Zier sonst war dem freien Männerstande,

O sagt, wo man bei euch es heut noch fände!

In Blick, in Wort und Schrift des Geistes Brände

Sind längst verlöscht im dumpfen Meer der Schande.

 

D’rum geht ihr kühl, mit unverfärbten Wangen,

Vorüber an den Mauern, die uns bergen;

Euch schaudert nicht mehr bei dem Lat: gefangen!

 

Ihr athmet Alle in der Faust des Schergen. –

Nur die im gold’nen Licht des Lebens prangen,

Steh’n weinend still an der Verstorb’nen Särgen.

 

 

V.

 

Kein Pilger wird mit ehrfurchtsvollem Grauen

Auf diese Wände seinen Namen schreiben,

Auch Keinen wird’s – zum Angedenken – treiben,

Den Spahn aus dieser Lagerstatt zu hauen.

 

Und sollt’ ich nie den Tag der Freiheit schauen,

Mein Martyrthum wird still im Schatten bleiben.

Was ist’s denn auch in dieser Zeiten Treiben,

Daß Einer schmachtet fern von grünen Auen?

 

Sonst trat zum Kampfe für die höchsten Güter

Vielleicht ein Einz’ger auf und rang unsäglich;

Ihn ehren dankbar heut noch die Gemüther.

 

Jetzt schwoll die Zahl der Streiter schon erträglich;

Der Menschheit Hälfte ward der andern Hüter,

Und für das Rechte leiden ward alltäglich.

 

 

VI.

 

Tritt stolz einher auch in des Kerkers Schranken,

Du, dem des Gottes heil’ge Weihen kamen!

Dir blieb auch da, wo sie dir Alles nahmen,

Die höchste Kunst des Reims und der Gedanken.

 

Du läss’st aus Nichts sich Bild zum Bilde ranken

Und hegst sie ein mit köstlich-ächtem Rahmen;

Du läss’st empor aus unsichtbarem samen

Die gold’ne Saat von ew’gen Liedern schwanken!

 

Mag dir die frühe Nacht das Licht entraffen,

Wär’ dir die Hand versagt durch schwere Ketten –

Im Vollbesitze bleibst du deiner Waffen.

 

Und was mit Heer, Geschütz und Bayonetten

Kein Mächt’ger kann, du hast’s im Flug erschaffen:

Den Bau des Ruhms aus funkelnden Sonetten!

 

 

VII.

 

Gastfreie Stadt, Beherrscherin der Meere,

Die ein Asyl mir bot seit langen Jahren,

Dir fern vermocht’ ich ganz erst zu gewahren

Das Wesen deines Ruhms und deiner Ehre.

 

Sei stolz auf deiner Seg’ler mächt’ge Heere,

Die kühnlich zu den fernsten Küsten fahren,

Sie brachten dir die köstlichste der Waaren:

Den freien Menschensinn, der Knechtung Wehre!

 

Bist du an Kunst und Wissen auch geringer

Als Andre – o daß sich ein Jeder hüte,

Voll Hohn auf dich zu deuten mit dem Finger!

 

Jüngst weilt’ ich im gepries’nen Land der Blüthe

Des Geistes – ach, es war ein weiter Zwinger,

D’rin kaum ein Herz für Recht und Freiheit glühte!

 

 

VIII.

 

Im Geiste seh’ ich deine Buchenkronen

Sich grün und weich am blauen Himmel ründen,

Und seh’ auf breiten, segensprüh’nden Gründen

Dein biedres Volk, mein Schleswig-Holstein, wohnen.

 

Der Ostsee blauer Arm schmiegt sich mit Schonen

Heran, um deiner Schöne zu verbünden

Der Fluthen Reiz, - da will’s mein Herz entzünden

Wie Heimweh nach des Vaterlandes Zonen.

 

Ja, nicht was Zufall und Geburt uns gaben,

Bleibt uns die liebste Statt für alle Zeiten;

Der Kindheit Traum wird oft gar früh begraben.

 

Die rechte Heimath ist, die wir erstreiten,

Für die wir strebten und gelitten haben,

Und wo uns liebe Menschen treu geleiten!

 

 

IX.

 

Hier zählt die widrigste der Unholdinnen,

Die sonst mit stumpfem, giftgetränktem Pfeile

Uns langsam würgt, die Gorgo Langeweile,

Gar zu der Muse treusten Pflegerinnen!

 

Was stets verblieb ein unvollführt Beginnen

In früh’rer Zeit der frischen Lebenseile:

Hier las ich Tasso’s Stanzen, Zeil’ um Zeile,

Von Zions heiligen, befreiten Zinnen!

 

Erminiens und Clorindens buntem Pfade

Folgt’ ich, lag froh selbst in Armida’s Schlingen,

Flog mit Rinaldo kühn zum blut’gen Bade.

 

Fast groll’nd sah ich den letzten Sturm gelingen. –

Ach, böte man mir hier die Messiade,

Ich glaub’, auch sie würd’ ich zu Ende bringen!

 

 

X.

 

So lang ich draußen rüstig schweifen konnte,

Lag Alles regennaß und trüb verhangen,

Nun, da ich still und traurig hier gefangen,

Strahlt Gold und Blau vom reinsten Horizonte.

 

Im Traum nur sah ich, wie die Welt sich sonnte,

Ich hörte, wie die Wandrer fröhlich sangen,

Wie durch das Feld geschäft’ge Sicheln klangen,

Wie Alles glücklich war und jauchzt’ und wonnte.

 

Ein Bild des Lebens ahn’ ich hier verborgen:

Auch unsre Zeit ist schwer verhüllt von Schleiern,

Und unser sind: die Hoffnung und die Sorgen.

 

Die Zukunft bleibt den Glücklichern und Freiern.

Erst nach uns glüht empor der sonn’ge Morgen,

Erst nach uns wird man gold’ne Feste feiern!

 

 

XI.

 

Im Abendneigen, wenn die grellen Stimmen

Des Tages, die voll Mißlaut mich umtönen,

Verhallet sind, dann läßt ein Hauch des Schönen

Mein Herz zu alter Fröhlichkeit erglimmen.

 

Die Sterne seh’ ich droben lustig schwimmen,

Wie wenn sie unser kleines Leid verhöhnen;

Und sieh! auch ich kann mich mit ihm versönen,

Und fühle Kraft, es stolz zu überklimmen.

 

In meinem Innern braus’t in heil’gen Chören

Der Reigen göttlicher Gefühle weiter,

Und keine plumpe Faust kann ihn zerstören.

 

Sei’s trüb umher – in mir bleibt’s hell und heiter,

In Fesseln werd’ ich stets mir selbst gehören:

Der Schönheit und der Freiheit rüst’ger Streiter.

 

 

XII.

 

Die Mutter Deutschlands ist’s, die mich geboren,

Und deutscher Geist der Vater, der mich zeugte;

Vor deutschen Meistern früh mein Sinn sich beugte,

Und deutschem Ruhm lauscht’ ich mit trunk’nen Ohren.

 

Die deutsche Muse hat mich auserkoren,

Daß auch mein Lied gleich einer reinen Leuchte

Dem Volk’ erglüh’, das schlaue Lüge scheuchte,

Bis es sich weit vom rechten Pfad verloren.

 

D’rum, wie ich Alle heg’ in frommem Scheuen,

Die bis zum Grund von deutschem Safte schwellen,

Erheisch’ ich meinen Ruhm nur von den Treuen.

 

Doch die sich fern von Deutschlands Banner stellen,

Ihr Thun kann mich nicht beugen, nicht erfreuen:

Es gleicht dem Streich durch leerer Lüfte Wellen.

 

 

XIII.

 

Herbstmorgenluft, in deine frische kühle

Tret’ ich hinaus mit Schritten, die da wanken;

Kaum faßt’s der Sinn, daß nun gefall’n die Schranken,

Die mich gesondert von der welt Gewühle!

 

Dahin ist nun des vollen Sommers Schwüle,

Kein Rosenhaupt glüht mehr in Lustgedanken;

Das Korn – ich sah’s auf grünem Halm noch schwanken –

Zermalmt schon der granit’ne Block der Mühle.

 

Ich könnte weinen, daß verhaßte Mächte

Mir so des Jahres schönste Monde stahlen,

Wenn ich des Trostes, der mir ward, nicht dächte.

 

Mein Frühling wird aus dieser Oede strahlen,

Denn hohe Götter weihten meine Nächte

Und stärkten mich in meinen Idealen!